Johann Wolfgang von Goethe

 

Eins und Alles

 

"Im Grenzenlosen sich zu finden,

wird gern der Einzelne verschwinden,

da löst sich aller Überdruss;

statt heißem Wünschen, wildem Wollen,

statt lästgem Fordern, strengem Sollen,

sich aufzugeben ist Genuss.

 

Weltseele, komm, uns zu durchdringen!

Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen,

wird unsrer Kräfte Hochberuf.

Teilnehmend führen gute Geister,

gelinde leitend höchste Meister

zu dem, der alles schafft und schuf.

 

Und um zu schaffen das Geschaffne,

damit sich's nicht zum Starren waffne,

wirkt ewiges, lebendiges Tun.

Und was nicht war, nun will es werden

zu reinen Sonnen, farbigen Erden;

in keinem Falle darf es ruhn.

 

Es soll sich regen, schaffend handeln,

erst sich gestalten, dann verwandeln;

nur scheinbar steht's Momente still.

Das Ewige regt sich fort in allen:

denn alles muss in Nichts zerfallen,

wenn es im Sein beharren will."